Partizipation als Chance
unserer Pädagogik

Einrichtung

Paulusstift Stuttgart

Das Paulusstift ist eine Einrichtung des Sozialdienstes katholischer Frauen e.V. Diözese Rottenburg-Stuttgart. Wir bieten Wohnraum, Beratung und Unterstützung für Schwangere, allein Erziehende und deren Kinder, sowie ein Kinder- und Familienzentrum mit Kindertagesstätte.


In der Mutter-Kind-Einrichtung bietet das Paulusstift Schwangeren und Alleinerziehenden mit Kindern unter 6 Jahren Wohnraum und Unterstützung. Diese Unterstützung geht von der intensiv sozialpädagogischen Begleitung bis hin zu einer niedrigschwelligen Beratung im Appartementhaus. Wir orientieren uns am individuellen Bedarf unserer Klientinnen.

Das Kinder und Familienzentrum mit Kindertagesstätte ist ein offenes Angebot für Familien (insbesondere aus der Kita) mit ihren Kindern. In der Kindertagesstätte werden 93 Kinder von 0-6 Jahren betreut.



Allgemeines zum Beschwerdeverfahren im Paulusstift

Seit Frühjahr 2014 nimmt das Paulusstift an dem AGE-Projekt „Partizipation als Chance unserer Pädagogik“ als eine von 13 Einrichtungen der Diözese Rottenburg-Stuttgart teil. Jede Einrichtung kann dabei selbst einstscheiden, welche Schwerpunkte sie sich setzt.

Im Paulusstift gründeten wir eine Projektgruppe, in der Mitarbeiterinnen

  • //des Mutter-Kind-Bereichs
  • //der Verwaltung
  • //der Hauswirtschaft
  • //der Mitarbeitervertretung
  • //des Kinder- und Familienzentrums
  • //der Kindertagesstätte
  • //die jeweiligen Bereichsleitungen
  • //die Leitung des Paulusstifts

vertreten sind.

Diese Gruppe koordiniert gemeinsam mit der einrichtungsinternen Multiplikatorin für Partizipation den Prozess und ist verantwortlich dafür, dass Aufträge und Informationen an die einzelnen Teams weitergetragen werden. Auch die Teams haben ihre Teamstrukturen geändert, indem sie Partizipation als festen Bestandteil im Besprechungswesen verankert haben. Hier finden Vorüberlegungen statt, wo und wie Beteiligung der Frauen stattfinden kann, aber auch Themen aus der Projektgruppe besprochen werden.

Die Beteiligung unserer Mütter war uns schon immer wichtig. Es gibt regelmäßig stattfindende Gruppennachmittage und Hausversammlungen, in denen gemeinsam besprochen wird, was den Frauen wichtig ist. Sie haben hier ebenfalls die Chance, Veränderungswünsche oder Beschwerden einzubringen. Es gibt auch stets im Rahmen der Einzelgespräche immer die Möglichkeit, sich mit Wünschen oder Problemen an uns zu wenden.

Im Rahmen des Projekts haben wir dennoch unsere bisherigen Strukturen überprüft. Wo kann man Beteiligung fest verorten, damit sie unabhängig vom

Engagement einzelner Mitarbeiterinnen bestehen kann. Wir setzten uns daher stark mit der Rolle der Mitarbeiterinnen und der Leitung auseinander. Anhand des Stufenmodells der Partizipation (nach Hart / Gemert) versuchten wir einzuschätzen, in welchen Stufen der Beteiligung wir uns und die Beteiligung unserer Mütter wiederfinden.

Außerdem gab es nach etwa der Hälfte des Projekts eine Befragung der Mitarbeiterinnen mit dem Interesse zu erfahren, wie man sich in den einzelnen Teams mit Partizipation auseinandersetzt, ob eine Veränderung zu spüren ist bzw. wo es Stolpersteine gibt. So schrieb eine Mitarbeiterin: "Die bessere Vernetzung der verschiedenen Bereiche im gesamten Haus könnte mehr Vertrauen untereinander bringen." In der Projektgruppe haben wir zu folgenden Themen unterschiedliche kleine Arbeitsgruppen gebildet, an denen Frauen aus der Mutter-Kind-Einrichtung mitgearbeitet haben bzw. an denen wir nach wie vor arbeiten.

  • //Erarbeitung einer Willkommensmappe
  • //Überprüfung des Hilfeplanverfahrens
  • //Beschwerdemöglichkeiten

In der Projektgruppe haben wir uns des Weiteren mit der Überprüfung bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen im Rahmen der Partizipation auseinandergesetzt. Ein Beschwerdeverfahren wurde entwickelt, auf das im Folgenden näher eingegangen wird. Zum Ende des Projekts befassen wir uns mit der Nachhaltigkeit von Partizipation, damit diese auch weiterhin fest verankert in unserem Arbeitsalltag bleibt.

Außerdem werden wir 2017 ein längerfristig angelegtes Projekt zum Thema Kinderrechte gemeinsam angehen. Dies ist für uns in doppelter Hinsicht interessant, da die Kinderrechte nicht nur für unsere minderjährigen Mütter gelten, sondern auch für deren Kinder von großer Bedeutung sind, insbesondere auch für die Kinder aus der Kita.

Paulusstift Stuttgart

Beschwerdeverfahren

Wir entschieden uns, ein strukturiertes und transparentes Beschwerdeverfahren zu entwickeln, das auch schriftlich dokumentiert werden soll. Nachfolgend möchten wir beschreiben, wie wir zu unserem Beschwerdeverfahren gekommen sind.


Wir stellten uns die Frage, was jemand braucht, um sich angstfrei beschweren zu können.

Klar war, dass wir diese Frage nur unter Beteiligung unserer Bewohnerinnen beantworten können. Sie wurden daher in Versammlungen und durch eine Fragebogenaktion interviewt, was es ihnen erleichtert, sich beschweren zu können. So sagten fast alle Frauen, dass sie sich der für sie zuständigen Person anvertrauen können. Eine Mutter schrieb allerdings auch auf: "Bei einer neutralen Person, die vielleicht nicht im Paulusstift arbeitet." Zudem erarbeiteten wir einen Ablauf für unser Beschwerdeverfahren und orientierten uns dabei an der Bibek-Studie „Beschweren erlaubt“.

Zuerst wurden mögliche Adressatinnen und Adressaten in den unterschiedlichen Bereichen und deren Beschwerdethemen gesammelt. Wir gingen die verschiedenen Wege durch, wie Beschwerden bei uns eingehen können und entschieden uns, Briefkästen in den einzelnen Bereichen anzubringen, so dass die Möglichkeit besteht, eine Beschwerde auch auf diese Art abzugeben. Damit diese Briefkästen ins Auge fallen, kamen wir auf die Idee, ein Beschwerdelogo zu kreieren. Eine Kita-Mutter konnte sich vorstellen, etwas zu entwickeln und machte uns Vorschläge. Zuerst war uns wichtig, dass sich das Logo tatsächlich lediglich auf die Beschwerde bezieht. Zwischenzeitlich fanden wir die ursprüngliche Idee der Kita-Mutter dann doch besser, auch den positiven Aspekt möglicher Änderungswünsche der Beschwerenden miteinzufügen. Daher wurde es nochmal leicht geändert. Dieses Logo findet sich nun immer dort, wo es Informationen über Beschwerden gibt. Es hängt z.B. an den Beschwerdebriefkästen und soll für alle der "Wegweiser" für unser Beschwerdeverfahren sein. Bei den Briefkästen sind ebenfalls weitere Informationen zu unserem Beschwerdeverfahren zu finden.

Es wurde ein Beschwerdewegweiser für Besuchende und Mütter entwickelt, in dem der Ablauf des Beschwerdeverfahrens erläutert wird. Außerdem werden Ansprechpersonen aufgelistet, so dass alle leicht zugänglich an Adressen und Teefonnummern kommen, sollte der direkte Weg der Beschwerde nicht möglich sein. Wichtig war uns hierbei, dass für alle auch externe Beschwerdemöglichkeiten angegeben werden.

Zusätzlich gibt es noch eine kleine Postkarte mit unserem Beschwerdelogo und grundsätzlichen Informationen zu unserem Beschwerdeverfahren und der Notiz, wo man mehr darüber erfahren kann. Wie bereits erwähnt, legen wir großen Wert auf die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens. Dazu gehört nicht nur, Beschwerdewege aufzuzeigen, sondern auch ein Instrument zu schaffen, mit dem Beschwerden dokumentiert werden können. Daher entschieden wir uns, ein Beschwerdeformular zu entwickeln.

In der Mitarbeitervertretung (MAV) wurde zum Thema „Beschwerdeformular“ bereits ein Klausurtag abgehalten und ein Formular nach der Durchsicht von Beispielformularen anderer Einrichtungen entwickelt. Dieses wird seit 2015 verwendet und richtete sich primär an die Mitarbeitenden. Für die von uns begleiteten Frauen und jungen Menschen wurde das Formular dann angepasst. Im Verlauf entstand eine Diskussion darüber, ob es sinnvoll ist, jede Beschwerde dokumentieren zu müssen. Die Sorge dabei war, dass dies zu einer Überforderung/ Überlastung der Mitarbeitenden führen könnte. Wir entschieden uns, dass Beschwerden immer dann an die Leitung weitergegeben und somit dokumentiert werden müssen, wenn es sich:

  • //um relevante Beschwerden handelt,
  • //ein Sachverhalt bereits zum wiederholten Mal vorgetragen wird g
  • //oder seitens der beschwerdeführenden Person der Wunsch besteht die Leitung mit einzubeziehen.

Unter relevanten Beschwerden verstehen wir all diejenigen, die Mitarbeitende der Einrichtung oder die Konzeption betreffen. Bei allen weiteren Themen liegt es im Ermessen des jeweiligen Mitarbeitenden, ob die Beschwerde an Leitung weitergegeben oder zunächst ohne deren Einbezug geklärt werden kann. Wir wollten sowohl die Aufnahme der Beschwerde dokumentieren als auch die nachgehende Bearbeitung und haben dazu ein 2-seitiges Bearbeitungsformular entwickelt. Bei der Beschwerdeannahme geht es vorrangig um den Sachverhalt und das Aufnahmedatum der Beschwerde. Bei der Annahme ist es wichtig, schnell eine Rückmeldung darüber zu geben, dass die Beschwerde aufgenommen wurde und mitzuteilen, dass man so schnell wie möglich eine gute Lösung finden möchte. Außerdem muss es für die Klientin klar sein, dass die Beschwerde vertraulich behandelt wird.

Die Darstellung des Sachverhalts kann die Person, die sich beschweren möchte, selbst in das Formular eintragen. Wir haben jedoch auch immer wieder Bewohnerinnen, Besuchende oder Eltern, die sich schwertun, etwas selbst zu schreiben. In diesem Fall kann die Mitarbeiterin, die den Fall aufnimmt, die Beschwerde stellvertretend aufschreiben. Alle wichtigen Informationen werden, wie von der beschwerdeführenden Person gewünscht, festgehalten. Wesentlich ist hierbei, dass sie tatsächlich die Sicht der beschwerdeführenden Person einträgt, so dass diese sich mit ihren Inhalten wiederfinden kann.

Da es Klientinnen gibt, die bereits Ideen oder Änderungsvorschläge zusammen mit ihrer Beschwerde einbringen, haben wir auch dies bei der Aufnahme festgehalten. So können sie sich mit ihren Wünschen und Vorschlägen einbringen. Das ausgefüllte Beschwerdeformular wird sofort an die Leitung weitergeleitet. Danach wird die Beschwerde bearbeitet. Das Bearbeitungsformular stellt die Kontaktaufnahme zwischen Leitung und beschwerdeführender Person sicher.

Es wird festgehalten, wer hinzugezogen wird. Ein kurzes Ergebnisprotokoll des Gesprächs wird in dem dafür vorgesehenen Feld „Beschwerdebearbeitung“ erstellt. Wesentlich ist, dies am Ende des Gesprächs gemeinsam festzuhalten, damit beide mit demselben Ergebnis aus dem Gespräch gehen. Mitarbeiterinnen werden über Änderungen informiert, dies ist ebenfalls in einem Feld zu vermerken. Die Beschwerdeführenden erhalten eine Rückmeldung, was mit der Beschwerde geschehen ist.

Obwohl das Beschwerdeformular noch nicht lange im Einsatz ist, haben wir dieses bereits nach eingehenden Rückmeldungen verändert. Seitdem legen wir verstärkt ein Augenmerk darauf, im Vorfeld genau zu erklären, was eine offizielle Beschwerde ist und wie das weitere Verfahren inklusive Einbeziehung der Leitung, aussieht. Danach kann die sich beschwerende Person, entscheiden, ob sie eine Beschwerde einreicht oder der Sachverhalt zuerst auf kurzem Wege bzw. Gruppenebene geklärt werden kann. Die Beschwerdebögen werden wahrscheinlich maximal zwei Jahre aufbewahrt. Es ist noch zu überlegen, inwieweit die Formulare auch regelmäßig ausgewertet werden sollten, damit man evtl. überprüfen kann, ob Änderungen sinnvoll waren und zu einem besseren Arbeitsablauf geführt haben.

In unserem Arbeitsprozess ist deutlich geworden, dass im Rahmen der Beschwerdebearbeitung einerseits der Einrichtungsleitung eine besondere Bedeutung zukommt, andererseits aber auch Mitarbeitende mit einer besonderen Aufgabe konfrontiert werden und sie sich damit ebenfalls in einer besonderen Rolle wiederfinden.



Die Bedeutung der Leitung

Der Leitung kommt bei der Bearbeitung der Beschwerde eine Schlüsselfunktion zu. In der Regel ist sie diejenige, die die Beschwerde bearbeitet und versucht, die Klientinnen und Klienten in die Lösungssuche mit einzubinden. Sie tritt der Klientin/dem Klienten gegenüber freundlich und neutral auf. Von großer Bedeutung ist, dass die Leitung Interesse am Anliegen der Klientin/des Klienten zeigt. Sie muss den Kontakt halten und Abläufe oder Hinzuziehung von weiteren Personen transparent erläutern.



Die Aufgabe der Mitarbeitenden

Für die Beschwerdeannahme sind alle Mitarbeitenden des Paulusstifts zuständig. Ihnen fällt dabei die Aufgabe zu, herauszufinden, ob die Beschwerde an die Leitung weitergeleitet werden muss oder ob eine direkte Klärung möglich ist. Ist die Beschwerde an eine bestimmte Person gerichtet, muss die Beschwerde an diese weitergeleitet werden. Auf jeden Fall ist zu beachten, dass die Beschwerde von derjenigen Person, die von der Beschwerdeführerin gewünscht wird, bearbeitet wird. Das Beschwerdeverfahren und das dazu gehörende Beschwerdeformular wurden mit allen Mitarbeitenden besprochen, damit ihnen die Abläufe und zentrale Personen bekannt sind.

Dies geschah in einer zentralen Betriebsversammlung, in der das Beschwerdeverfahren vorgestellt wurde. Zusätzlich wurden die einzelnen Teams regelmäßig über die Ergebnisse bezüglich des Verfahrens informiert. Wenn das Beschwerdeverfahren gut eingeführt und gelebt wird, soll es den Mitarbeiterinnen auf Dauer den Umgang mit Beschwerden erleichtern. Sie sollen über Wege und Strukturen Klarheit haben, die es bisher nicht gab und somit bisherige Unsicherheiten im Umgang mit Beschwerden in den Hintergrund treten können.



Vertrauensperson

Es war uns zudem wichtig, eine Vertrauensperson im Haus zu verorten, die für die Bewohnerinnen und Kinder des Hauses als zusätzliche Ansprechpartnerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens da ist. Hier bedurfte es für uns erstmal der Klärung, welche Funktion diese Vertrauensperson haben soll. Wir diskutierten darüber, ob es besser ist, eine Vertrauensperson für den Mutter-Kind-Bereich zu finden, die nicht direkt im operativen Geschäft tätig ist. In der Kindertagesstätte hingegen, sollte eine Vertrauensperson den Kindern bekannt sein, so dass sie ohne Scheu auf sie zukommen können, wenn sie Sorgen haben.

Im Rahmen des AGE-Projekts wurde im Herbst 2016 eine Fortbildung für Vertrauenspersonen angeboten. unserer Einrichtung schaffen konnten. In der Projektgruppe entschieden wir uns, dass wir die Vertrauensperson nun erstmals benennen und sie

für einen Zeitraum bis Ende 2018 für die Frauen als Ansprechperson da ist. Sie besuchte dementsprechend auch diese Fortbildung, Nach Ende ihrer Amtszeit möchten wir dann gern eine Vertrauensperson von den Müttern wählen lassen.

Wir stehen erst am Anfang unseres Beschwerdeverfahrens und es wird noch einige Zeit benötigen, bis es im Alltag integriert ist. Dennoch hat sich bereits in der kurzen Zeit mit der Überarbeitung des Beschwerdeformulars gezeigt, wie wichtig es ist, das Verfahren immer wieder zu überprüfen und anzupassen. Wir hoffen, dass wir am Ende nicht nur über ein gutes Beschwerdeverfahren verfügen, sondern auch eine beschwerdefreundliche Kultur in unserer Einrichtung schaffen konnten.



Ausblick

Wir werden im Paulusstift auf alle Fälle an dem Projekt Partizipation weiterarbeiten. Mitarbeiterinnen melden zurück, " In der täglichen Praxis ist zumindest ein beginnendes Umdenken zu merken….Diese Überlegungen führen dann auch zu einer anderen Herangehensweise und im Moment zu einem Ausprobieren." Daher ist in der Planung, dass die Projektgruppe bestehen bleibt und das Begonnene fortsetzt.

Dies werden wir in den nächsten Sitzungen der Projektgruppe genau planen. Auch unser bereits erwähntes Projekt zu Kinderrechten wird dazu beitragen, dass wir uns weiterhin mit Partizipation in unserem Arbeitsalltag auseinandersetzen werden.



Petra Cichos
Multiplikatorin im Paulusstift für das Projekt "Partizipation als Chance unserer Pädagogik"