Partizipation als Chance
unserer Pädagogik

Ausgangslage

Warum das Ganze?

Die katholischen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind zu einem Fachverband, der Arbeitsgemeinschaft der Dienste und Einrichtungen für Erziehungshilfen (AGE) zusammengeschlossen.

Zur AGE Rottenburg-Stuttgart gehören 14 Träger mit derzeit 27 Einrichtungen und Diensten mit voll- und teilstationären Plätzen, mit ambulanten und flexiblen Erziehungshilfeangeboten, Angeboten der Jugendberufshilfe sowie Erziehungsberatungsstellen. Viele Träger bieten zudem umfassende Kinderbetreuung in Krippen, Kindergärten und Horten an. Acht dieser Einrichtungen sind Sonderschulen für Erziehungshilfe mit den Bildungsgängen Grund-, Haupt- und Werkrealschule sowie Förderschule, teilweise auch Schulkindergärten, angeschlossen. Die Schüler leben im Heim oder kommen täglich von zu Hause in diese Schulen.


Partizipation ist nicht nur ein wichtiges Element in einer ganzen Reihe von Kinderrechten, sondern ebenso ein Erfolgsfaktor in der Entwicklung und Förderung von Menschen und Organisationen. Partizipation ist Teil von Leitungshandeln und unserem demokratischen Verständnis von Gesellschaft und findet sich nicht zuletzt in den unterschiedlichsten Formen Teil alltäglicher pädagogischer Praxis wieder.

Partizipation ist spätestens seit dem 8. Jugendbericht (1990) Forderung und Paradigma in der Erziehungshilfe und war seither Thema vieler Projekte, Handreichungen, Dokumentationen, u. v. m. auf Bundesebene, in Verbänden oder bei einzelnen Einrichtungen. Wer die Verhältnisse in der Heimerziehung

in den 80er Jahren mit denen heute vergleicht, kann unschwer feststellen wie viel sich in dieser Richtung verändert hat.

Am wirksamsten ist Partizipation für die betreuten Kinder, Jugendlichen und Familien aber vor allem als Teil der gelebten Pädagogik im Alltag. Diesen Aspekt in seinen vielfältigen Ansatzpunkten, Inhalten, Methoden, Chancen und Grenzen sowohl für unsere Mitarbeiter, als auch für Dritte greif und begreifbar zu machen, ist ein zentrales Anliegen dieses Projektes. Ein weiteres wichtiges Ziel liegt in der Verankerung von Beschwerdestrukturen und partizipativen Elementen im Handeln des pädagogischen Alltags.

Ausgangslage

Rahmenbedingungen

Das Projekt startete am 01.05.2014 mit einer Projektdauer von 3 Jahren. Am Projekt beteiligt waren 13 Einrichtungen der Jugendhilfe aus der AGE Rottenburg-Stuttgart. Jede Einrichtung stellte dabei einen Multiplikator mit 20% Stellenumfang.


Projektleitung

Die Projektleitung kam ebenso aus einer der Projekteinrichtungen (Kinder- und Jugendhilfe Neuhausen) und wurde mit einer 50% Stelle über den gesamten Projektzeitraum ausgestattet.


Der Auftrag an die Projektleitung umfasste die:

  • //Erstellung einer Projektorganisation
  • //Erstellung einer Projektplanung im Sinne des Projektmanagements entsprechend der Projektbeschreibung
  • //Initiierung, Koordination und Moderation der Umsetzung der Projektplanung im Zusammenspiel mit den Multiplikatoren
    der beteiligten Einrichtungen
  • //Dokumentation des Projektverlaufs und der Ergebnisse des Projekts
  • //Vernetzung des Projekts mit anderen relevanten Projekten –
    auch im Umfeld der beteiligten Einrichtungen

Steuerungsgruppe

Eine Steuerungsgruppe bestehend aus 4 Personen aus den beteiligten Einrichtungen wurde für die Projektbegleitung gebildet.


Die Steuerungsgruppe traf sich 2x im Jahr mit der Projektleitung und verstand sich als beratendes und steuerndes Gremium bei der:

  • //Konkretisierung der Rahmenbedingungen und der Zieldefinitionen
  • //Reflektion der Projektphasen und ihrer Wirkung
  • //Begleitung und Sicherung eines kontinuierlichen Projektablaufs
  • //Abstimmung der strategische Ausrichtung und der Umsetzung einzelnen Projektschritte
  • //Umsetzung der Projektziele in Übereinstimmung der allgemeinen Zielsetzung des Projektes und der formulierten operativen Ziele

Die Steuerungsgruppe berichtete zweimal im Jahr gegenüber dem Vorstand der AGE über den Projektverlauf und transportierte inhaltliche Informationen zum Projekt in die Gremien der AGE.

Ausgangslage

Projektbeschreibung und Projektziele


Projektidee

Wohlwissend, dass in den projektbeteiligten Einrichtungen bereits verschiedenste Partizipationsmodelle und teilweise auch Konzeptionen vorhanden waren, verstand sich das Projekt als wegbegleitend und prozessbegleitend um eine Kultur der Partizipation in den Einrichtungen zu entwickeln, auszubauen und bewusst zu machen. Diesen Entwicklungsprozess galt es unter Einbeziehung der verschiedenen Ebenen in den Einrichtungen dialogisch zu gestalten. Speziell für die Kinder und Jugendlichen mussten Möglichkeiten und Verfahren zur Beteiligung zugänglich gemacht werden. Zugleich gab es die Erfahrung, dass Partizipation als Grundhaltung bei einzelnen Mitarbeitenden, in einzelnen Wohngruppen, in verschiedenen Einrichtungen sehr unterschiedlich lebte.

Die grundsätzliche Haltung und einrichtungsinterne Ausgestaltung durch die Leitung wurde im Sinne einer partizipativen Einrichtungskultur als prägend gesehen. Eine Hypothese dabei war, dass Mitarbeitende, die selbst erfolgreiche Beteiligung erleben, nicht nur zufriedener an ihrem Arbeitsplatz sind, sondern den Kindern mehr Beteiligungsmöglichkeiten anbieten und damit Erfahrungen von Selbstwirksamkeit ermöglichen. Partizipation ist ein wichtiges Kinderrecht, das es umzusetzen gilt. Durch präventive Wirkung wird Partizipation zu einem aktiven Baustein in einem Kinderschutzkonzept.

Projektfokus

Der Projektfokus lag zu Beginn auf kulturstiftenden Themen und der Weiterentwicklung der Organisation und des Personals. Für eine gelingende Partizipationskultur brauchte es zuerst effiziente Strukturen. Damit Beteiligung stattfinden kann, mussten der Informationsfluss gesichert und die Beteiligungsmöglichkeiten und – wege in der Einrichtung bekannt werden. Partizipation sollte nicht als zusätzliche pädagogische Disziplin sondern als pädagogisches Arbeitsprinzip von den Mitarbeitenden verstanden werden. Von daher kam der Entwicklung einer „gleichen Idee“ von Partizipation - im Sinne einer zugrunde liegenden Haltung bei den Mitarbeitenden – besondere Bedeutung zu.

Die Einrichtungen machten sich auf den Weg, bewährte Strategien und Werkzeuge zu sichten, zu überprüfen und ggf. zu sichern. Im Projektverlauf galt es, neue Ansätze gemeinsam auszuprobieren und die dabei gemachten Erfahrungen zu reflektieren. Die Motivation, sich zu beteiligen, lebt von Erfolgserlebnissen. Wo wird das eigene Handeln als wirksam erlebt? Zum besseren Verstehen und zur Entwicklung von alternativen Lösungswegen schien es sehr hilfreich, gelingende Momente spürbar zu machen und Stolpersteine (Krisen, Scheitern und Abbrüche) kritisch zu betrachten und aufzuarbeiten.

Damit Beteiligung lebt, war es eine Prämisse, die Kinder und Jugendlichen im Projekt und bei den einzelnen Prozessen einzubeziehen. Beteiligung heißt: Mit Kindern und Jugendlichen etwas gestalten, ihre Bedürfnisse verstehen

und im pädagogischen Auftrag darüber zu sprechen und zu verhandeln. Beteiligung heißt nicht: Dinge für sie zu tun oder sie ihnen zu untersagen. Beteiligung lebt vor allem in der unmittelbaren Kommunikation mit den Kindern und Jugendlichen und im Aufgreifen ihrer Wünsche und Ideen, unabhängig davon, ob diese besprechungsbedürftig, verhandlungsbedürftig sind. Ergänzend kommen strukturelle Merkmale dazu wie „gewählte Gruppensprecher“, Gruppenabende, Kinder- und Jugendlichengremien, standardisierte Beschwerdeverfahren u.ä., die aber alle nur funktionieren können, wenn die eigentliche Beteiligung erfolgt und die Kinder und Jugendlichen ihre Selbstwirksamkeit erfahren und Wachstum erleben. Erlebte Beteiligung macht nicht nur Kinder und Jugendliche stärker, sondern kann auch Konfliktpotentiale reduzieren.

Die Mitarbeitenden sollten sich mit Freude diesen Herausforderungen stellen können und dementsprechend durch die Multiplikatoren und die Einrichtungsleitungen gut unterstützt werden. Das Projekt sollte den Mitarbeitenden Mut machen und sie einladen, auch Risiken einzugehen und bei den Beteiligungsmöglichkeiten neue Wege zu gehen. Dazu brauchten sie auch Hilfestellungen, ob situativ Information, Mitsprache, Mitentscheidung u.a. erforderlich ist.

Projektziele

  • //Partizipation als grundlegende Haltung und als pädagogisches Arbeitsprinzip verstehen
  • //Partizipation als Erfolgsfaktor im pädagogischen Alltagshandeln erkennen und leben lernen
  • //Präventive Aspekte einer partizipativen Grundhaltung herausarbeiten
  • //Dialog als kommunikative Grundform für Partizipation fördern
  • //Teilhabe- und Beschwerdeverfahren aufbauen – auch als eine Form von Partizipationssicherung in Krisen
  • //Weiterentwicklung der Einrichtung und Qualifizierung der Mitarbeitenden
  • //Schaffung von Beteiligungsstrukturen und Definition der Beteiligungsqualität
    · Individuell
    · Im Gruppenalltag
    · Institutionell über Kinderkonferenzen und Heimräte
    · Beteiligungskultur in der Gesamteinrichtung

Mit den Kindern und Jugendlichen konzentrierte sich das Projekt verstärkt auf die Alltagsgestaltung sowie die Abläufe im Gruppenalltag. Wo sind die Erfahrungsfelder von Selbstwirksamkeit für die Kinder und Jugendlichen? Welche Gesprächskultur finden sie in ihrem Umfeld vor und wie werden Aushandlungsprozesse geführt? Die Kinder und Jugendlichen mussten ebenso wie die Einrichtungsleitungen und die Mitarbeitenden für das Thema sensibilisiert werden., Es fällt nicht jedem per se leicht, sich zu beteiligen – sich zu beschweren schon gar nicht. Da ist vieles zunächst unbekannt oder zumindest ungewohnt und mitunter auch angstbesetzt. Neben viel

Aufklärung brauchte es daher noch mehr Motivation und Unterstützung durch die Pädagogen.

Partizipation gilt als ein Erfolgsfaktor in der pädagogischen Arbeit. Durch Partizipation erfahren Kinder und Jugendliche Selbstwirksamkeit und werden in ihrer Persönlichkeit gestärkt. Das Sichtbarmachen von Erfolgen – auch die vielen kleinen Momente des Gelingens- lag dem Projekt am Herzen. Partizipation soll Spuren in den Einrichtungen hinterlassen und nicht als Konzept in den Schubladen verschwinden.