Partizipation als Chance
unserer Pädagogik

Einrichtung

Liebenau Berufsbildungswerk gemeinnützige GmbH

Im Frühjahr 2014 hatte sich das Liebenau Berufsbildungswerk auf den Weg gemacht: Kinderrechte, Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten der Bewohner sollten gestärkt werden. Gestärkt und nicht etwa neu geschaffen –denn dies hatte sich der BBW Wohnbereich schon Jahre zuvor erfolgreich auf die Fahnen geschrieben – und umgesetzt.


Das Liebenau Berufsbildungswerk gGmbH in Ravensburg ist ein Tochterunternehmen der Stiftung Liebenau. Ziel unserer Anstrengungen ist die Eingliederung behinderter und benachteiligter Menschen, mehrheitlich Jugendlicher und junger Erwachsener, in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Wir bilden Personen aus mit einer Lernbehinderung, i.d.R. flankiert durch psychische und/oder soziale Beeinträchtigungen. Im Rahmen berufsvorbereitender, schulischer und anderer Bildungsmaßnahmen, sowie der beruflichen Erstausbildung fördern wir in über 45 anerkannten

Ausbildungsberufen vorwiegend junge Menschen. Dabei orientieren wir uns immer an den persönlichen Bedürfnissen und Ressourcen jedes Einzelnen. Wir betreuen an fünf Standorten rd. 1000 Maßnahmeteilnehmer. Aufgabe des Wohnbereiches ist es im engeren und weiteren Sinn, die Teilnehmer im Hinblick auf einen erfolgreichen Berufsabschluss zu betreuen und ihnen im Rahmen ihrer stationären Unterbringung ein Milieu der persönlichen und psychosozialen Entwicklung zu ermöglichen.



Thema „Partizipation“ in der Einrichtung:

Mit den Themen einhergehend entstanden neue, teils verunsichernde Fragen: Was ist Beteiligung? Welche Rechte haben unsere Jugendlichen? Bieten wir diesen neben alltäglichen Ansprechpartnern weitere Möglichkeiten der persönlichen Beschwerde? Nicht nur diesen Fragen wollte sich das Projekt Partizipation in seiner dreijährigen Projektlaufzeit stellen. Ein Austausch über das Thema Partizipation und damit zusammenhängend Rechte und Beschwerde(verfahren) – fand während der mehrjährigen Projektlaufzeit überwiegend im Arbeitskreis Partizipation, sowie in den regelmäßig stattfindenden Sprechertreffen der Jugendlichen statt. Neben dieser „formellen“ Partizipation ergaben sich beispielsweise im Sinne informeller Partizipation durch das Aushandeln von Gruppenregeln, der Bestimmung von Ausflugszielen im Rahmen von Freizeiten, der Diskussion um Nachtruhe oder etwa Ausgangsregelungen

immer wieder Anknüpfungspunkte an das Thema im „klassischen“ Betreuungsalltag der Einrichtung. Flankiert wurden Teamtreffen der Mitarbeiter, begleitete Sprechertreffen der Jugendlichen und Arbeitskreissitzungen (AKP-Treffen) durch wiederkehrende und geplante Informations- und Auftaktveranstaltungen im Jahresverlauf der Einrichtung. Im Herbst jeden Jahres, also mit den Neuaufnahmen der Jugendlichen in den Wohnbereich, gab es Veranstaltungen zu „Beteiligung im Bereich Wohnen und Freizeit“, zum Themenfeld „Vertrauenserzieher und Beschwerde“, sowie Gruppen- und Lernabende zum Thema „Rechte und deren Umsetzung im Wohnbereich“.



Arbeitskreisstruktur und Vernetzung der jugendlichen Sprecher:

Die Verwirklichung der angestrebten Ziele u.a.

  • //neue und vielfältige Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten im Wohnbereich des Liebenau Berufsbildungswerk etablieren und sicherstellen
  • //Umsetzung von kontinuierlichen und regelmäßigen Umfragen zur Zufriedenheit und zu den Wünschen der jugendlichen Bewohner
  • //Sicherstellung und Aufklärung über Kinder- und Jugendrechte in der Einrichtung zum Schutz und zur Sicherheit der Teilnehmer
  • //Partizipation nicht nur in Strukturen und Gremien, sondern gemeinsam mit den Jugendlichen im Alltag zu leben und gestalten
    (Aushandlungsprozesse fördern usw.)
  • //Trotz unterschiedlicher Kostenträger und Betreuungsstrukturen wollten wir, aus Sicht von Beteiligungsstrukturen, keine veränderten partizipativen Strukturen oder Elemente einführen. Insofern kooperieren beide Wohnbereiche (Internate und Jugendhilfe) mit einem Konzept im Arbeitskreis Partizipation „AKP“!

Neben einem Multiplikator gehören dem AKP eine Vielzahl engagierter und motivierter Mitarbeiter des Wohnbereichs an. Im Mittelpunkt, und quasi dem als Ziel des Handels, sollten jedoch immer die jungen Menschen, mit all ihren Begabungen und Fähigkeiten bzw. mit Ihren Wünschen für ein gutes BBW- Wohnheim (i.S. einer tatsächlichen „Lebensweltorientierung“), stehen. AKP- Treffen fanden in flexibler Absprache mit Wohnheimsleitung und den engagierten Mitarbeitern des Wohnbereichs etwa alle 4 Wochen im Umfang von 1-2 Stunden unter Beteiligung möglichst aller AK Mitglieder statt.

Wichtig war es auch, vor allem bei besonderen Themen und Anliegen, die Wohnheimsleitung bzw. die Sprecher als Sprachrohr der Jugendlichen zu beteiligen. Neben der AK- Struktur, die sich in erster Linie an die Mitarbeiter des Wohnheims richtete, und sich immer wieder kritisch mit den Strukturen in diesem sowie mit Verbesserungsmöglichkeiten für die Jugendlichen beschäftigte, gab es von Beginn an das Beteiligungsgremium für die jungen Erwachsenen („Sprecher“) der jeweiligen Gruppen im Wohnbereich. Neben direkter Mitsprache im Alltag – Jugendliche gehen

aktiv mit ihren Themen und Anliegen auf die jeweiligen Betreuer oder anderen Jugendlichen zubieten diese formellen Gremien und Strukturen der Partizipation vor allem die Möglichkeit sich untereinander auszutauschen, sich gemeinsam für die Anliegen der eigenen Gruppe (zb als Gruppensprecher) wie auch für das Gesamtwohnheim (zb als Teamsprecher) einzusetzen und stark zu machen. Von unbedingter Wichtigkeit war es, im Vorfeld der Wahl, seitens der Betreuer den Jugendlichen die Anforderungen eines „Sprechers“ klarzumachen bzw. aufzuzeigen: Respekt, Verschwiegenheit, Offenheit, Toleranz und Konfliktbereitschaft zeichnen den Gruppen- bzw. Teamsprecher aus. Entsprechende Anforderungsprofile wurden im AKP erarbeitet.

Ganz wichtig war hierbei der Aspekt der Freiwilligkeit, d.h. die Einrichtung musste damit leben, dass Sprecher sich gegen ein solches Mandat entschieden, im weiteren Verlauf ihre Aufgabe nicht fortführten bzw. die Aufgabe als solche wechselte. Belohnt wurde das Engagement der Jugendlichen u.a. mit Urkunden „Sozial Engagiert“.



Ein wichtiger Bestandteil – die jährliche Teilnehmerumfrage im Wohnheim!

Ganz wichtig war die Durchführung der jährlichen Teilnehmerbefragung zur Zufriedenheit im Wohnheim, wobei hier ein Umfragebogen entworfen und weiterentwickelt wurde. Im Anschluss an die jährliche Durchführung im April fand eine Aufbereitung der Ergebnisse mit/vor den Jugendlichen statt die wiederum zur Reflektion und Mitsprache zum Themenfeld Beteiligung anregte.

Die Präsentation der Umfrageergebnisse in den einzelnen Projektjahren verdeutlichte dabei besonders den Jugendlichen immer wieder auf Neue, was es im Wohnheim für Möglichkeiten gibt (AKs zb), zeigte jedoch immer auch ganz gut wo der Schuh drückt (W-LAN, Ausgehzeiten u.v.m.).

In der jährlichen Befragung aller Jugendlichen im Bereich Wohnen fanden neben Partizipation auch Kinderrechte und die Einschätzung zu Beschwerdemöglichkeiten besondere Berücksichtigung. So verstanden diente die Umfrage den Jugendlichen vor allem als wichtige Möglichkeit sich für „Ihre“ Anliegen stark zu machen („Es ist wichtig, dass die Nachtruhe eingehalten wird!“), Wünsche zu äußern („Das BBW Wohnen braucht endlich ein flächendeckendes WLAN-Netz!“) aber auch als Möglichkeit die eigene Zufriedenheit mit Einflussnahme- und Beteiligungsmöglichkeiten zu bewerten.



Besondere Ereignisse im Projektverlauf – Erfolgsfaktoren, was bleibt?

Ein regelmäßiger Austausch der Projektmitglieder, verbunden mit der Besprechung aktueller Anliegen, künftiger Ziele und verbindlicher Aktions- und Maßnahmenplanung, erschien für die interne Arbeit am Thema wichtig und wird auch nach offiziellem Projektabschluss der AGE- Projektgruppe „Partizipation“ essentiell sein. Besonders in den Sprechertreffen der Jugendlichen wurde immer deutlich, dass formale Beteiligungsstrukturen neben der informellen Meinungsäußerung im Alltag gebraucht (!) aber letztlich auch eingefordert (!!) werden muss.

Gemeinsam mit den Jugendlichen wurde insbesondere durch die Sprechertreffen, Infoveranstaltungen und Workshops, aber auch durch die Vertrauenspersonen immer wieder auf eine eigenverantwortliche Problem- und Konfliktlösung sowie auf eine Thematisierung unbefriedigender Lebensbedingungen im „Lebensraum Wohnheim“ (Veränderungswünsche- bzw. –Bedürfnisse) hingewirkt. Davon zeugen auch die von den Jugendlichen selbst erarbeiteten Beteiligungsplakate: „Gib deinen Senf dazu!“ bzw. „Mitreden!“.



Zitate bzw. Eindrücke zum Projekt aus Sicht unserer „Sprecher“:

  • //„Das AKP-Team setzt sich für die Interessen der Jugendlichen und versucht diese umzusetzen!“
  • //„Das Großthema W-LAN ist immer noch in Angriff, die Rennovation der Duschen und Toiletten sind ein gutes Beispiel dafür, dass sich etwas ändert.“
  • //„Ich habe den Eindruck, dass wir von der Wohnheimsleitung ernst genommen werden.“
  • //„Super fand ich das AKP- Grillen mit vielen Jugendlichen und Betreuern im Jahr 2016!“
  • //„Wenn ich auf Beteiligung im Jahr 2018 schaue dann fällt mir ein: Endlich mal W-LAN!“
  • //„Ich wünsche mir mehr gemeinsame Ausflüge mit anderen Sprechern und insgesamt könnte die Zusammenarbeit
    der Jugendlichen im Wohnheim besser sein.“
  • //„Der persönliche Höhepunkt war für mich die Berlinfahrt im Jahr 2016, auch die Teilnahme am letzten Jugendforum hat mir gut gefallen.“
  • //„Ich finde es wichtig, dass die Jugendlichen Schutz und Sicherheit im Wohnbereich haben. Wichtig ist aber auch,
    dass nicht jedes Jahr immer die gleichen ‚Sprecher‘ sind.“
  • //„Was ich am besten finde? Es bedeutet mir viel, mich für die Interessen meiner Mitmenschen bzw. der anderen Teilnehmer im Wohnheim einzusetzen.“

Stefan Fetscher
Multiplikator der Einrichtung