Partizipation als Chance
unserer Pädagogik

Einrichtung

Caritas Ost- Württemberg Jugendhilfe Heidenheim

Die Caritas Ost-Württemberg hat sich intensiv mit dem Thema Kinderrechte und Beschwerde befasst. Die Caritas Ost-Württemberg erstreckt sich über die Landkreise Ostalbkreis und Heidenheim. An das Zentrum Heidenheim sind die Fachbereiche berufliche Integration, Familienhilfe, Wohnungslosenhilfe und Jugendhilfe angegliedert.


Die Jugendhilfe ist größtenteils im Landkreis Heidenheim tätig und sehr dezentral aufgestellt. Zwischen den einzelnen Einrichtungen liegen teilweise 20 km. Zum Fachbereich gehören eine Clearingstelle UMA´s , zwei Tagesgruppen, Schulsozialarbeit, zwei Soziale Gruppenarbeiten, drei Jugendzentren, ein heilpädagogisches Kinder- und Jugendheim und die ambulanten Hilfen wie Sozialpädagogische Familienhilfe, FFU, Erziehungsbeistandschaft und Familienpflege.

Eingeleitet wurde das Projekt Partizipation mit einer KickOff-Veranstaltung. Da diese an die gruppenübergreifende große Fallbesprechung gekoppelt wurde, war die Teilnahme der Mitarbeiter groß. Auch bei der Meinungsumfrage nahmen alle mit Interesse teil und brachten sich ein. Zu allererst stellten wir uns die Frage: Was ist Partizipation und wo ist sie in unserer Einrichtung und in der Arbeit zu finden?

Es wurde deutlich, dass es für den einzelnen Mitarbeiter wichtig ist, transparente Leitung zu erleben und somit über wichtige Schritte und Maßnahmen frühzeitig informiert und eventuell miteinbezogen zu werden. Des Weiteren wurde erneut der Blick auf die Kinder und Jugendlichen in der Hilfeplanung und im Alltag geschärft und wie sie in den einzelnen Gruppen Partizipation erfahren und leben können. Es wurde nochmal klarer, dass es große Unterschiede zwischen den Jugendhilfeformen und deren Möglichkeiten gibt (Heimunterbringung, soziale Gruppenarbeit, Tagesgruppe, ambulante Hilfen).



Der nächste Schritt war die Einigung auf Themenschwerpunkte und Maßnahmen. Diese werden hier nur in Form von Überschriften erwähnt:

  • //Einführung von Evaluationsfragebögen
  • //Wahl von Gruppensprechern - Vertiefung des Themasin den einzelnen Kinderteams
  • //Bearbeitung des Beschwerdemanagements
  • //Im Rahmen der Qualitätsentwicklung – Verschärfung des Blicks und Möglichkeiten für Partizipation in der Hilfeplanung
  • //Bestätigung der Notwendigkeit des Koordinatoren-Teams: Transparenz und Informationsfluss zwischen den Gruppen und Leitungsebene
  • //Einführung von Evaluationsfragebögen
  • //Randgruppen, wie die ambulanten Hilfen, rücken verstärkt in den Fokus
  • //Entscheidung für die Installation und Ausbildung eines Vertrauenserziehers
  • //Kinderrechte: jedes Kind und Jugendlicher wird im Rahmen einer Veranstaltung oder Projekts in der Gruppe bezüglich seiner Rechte aufgeklärt
  • //Erstellung einer Begrüßungsmappe für die jeweiligen Gruppen...
Im Folgenden beschreiben wir unseren Weg beispielhaft am

Projekt: Kinderrechte und Beschwerde


Der Anfang…

Das Beschwerdemanagement für die Kinder und Jugendlichen der Jugendhilfe der Caritas Ost-Württemberg gab es als Aktenblätter in einem Ordner abgeheftet, wurde jedoch nicht praktiziert und geriet immer mehr in Vergessenheit. Mit dem Thema Kinderrechte rückte es wieder in den Fokus.

Die Entscheidung für ein Projekt Kinderrechte und Beschwerde zu starten wurde im Koordinatoren Team getroffen, gemeinsam mit der Multiplikatorin und der Fachbereichsleitung.



…unser Weg…

Bevor die ersten Schritte mit den Kindern eingeleitet wurden, musste erst einmal bei den Mitarbeitern angesetzt werden. Das Thema Rechte und Beschwerde löste bei manchen Unbehagen aus, da sie im pädagogischen Alltag öfters in Konflikt- und Krisensituationen geraten. Die Koordinatoren erhielten den Auftrag im Rahmen der Teamsitzungen das Thema einzubringen und mit den Kollegen zu besprechen. Auf diese Weise konnten eventuelle Ängste und Vorbehalte im kleinen Rahmen geklärt werden. Bei Bedarf zu jeder Zeit Rücksprache mit der Leitung oder dem Multiplikator gehalten werden. Gleichzeit wurde in diesen Teams auch Ideen gesammelt, wie und in welchem Rahmen das Thema angegangen werden kann.

Das große Ziel war alle Kinder und Jugendliche ins Boot zu bekommen. Da jedoch die einzelnen Gruppen sehr weit auseinander liegen, haben wir uns darauf geeinigt eine Veranstaltung pro Gruppe abzuhalten. Im kleineren Rahmen sahen wir auch größere Chancen für die Berücksichtigung des Einzelnen und offeneren Gesprächsaustausch. Für die Auswahl der Instrumente stand im Vordergrund, dass sie verständlich für Kinder im Alter von 8 – 16 Jahren sind.

Gemeinsam mit den Kindern der HippA (Heidenheimer soziale Gruppenarbeit) wurde das Projekt „Kinderrechte und Beschwerde“ erarbeitet. Im Kinderteam wurde darüber beraten, wie so eine Einheit sein soll, der Ablauf besprochen und welche Materialien benötigt werden. Ein kurzer Fragebogen wurde entwickelt. Dieser dient der Multiplikatorin als Handwerkszeug um abzufragen, was die Kinder der jeweiligen Gruppen schon über das Thema wissen.

Gemeinsam wurde im Internet nach Filmen gesucht, welche sich mit dem Thema Kinderrechte befassen. Letztlich einigte sich die Gruppe auf den Film „LOGO – Kinderrechte“. Die Kinder beschrieben ihn als spannend und fanden es auch besser, dass Kinder die Sprecher sind.

Sie fühlten sich mit ihnen auf Augenhöhe. Um nach dem Filmschauen miteinander ins Gespräch zu kommen und nach dem Sitzen wieder aktiv zu werden, waren sich alle einig, dass man Anschauungsmaterial braucht. Das Kinderrechteplakat der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Großformat eignet sich bestens dafür. Bei der Veranstaltung wurde es auf dem Tisch ausgebreitet und verschiedene Kinder haben die aufgeführten Rechte vorgelesen. Sie kamen schnell über die Infos und kindgerechten Zeichnungen ins Gespräch. Berichteten über persönliche Erfahrungen und bezogen dabei die jeweiligen Rechte und Verstöße mit ein. Es gab viele Aha-Erlebnisse und es war schön zu erleben, dass sich Kinder, die eigentlich weniger miteinander zu tun haben austauschen, Gemeinsamkeiten finden und sich solidarisieren.

Nach der Gesprächsrunde suchten sie gemeinsam einen Platz, an welchem sie das Plakat aufhängten. Es dient ihnen als Gedankenstütze, damit das Gelernte länger im Fokus bleibt. Um später die Kinderrechte nochmal genauer nachlesen zu können wurde das Heft „LOGO – Die Rechte der Kinder“ ausgewählt. Auf jeder Gruppe liegt nun ein Exemplar aus.

Da sich nun alle Kinder besser mit ihren Rechten auskannten, war es sehr interessant zu erfahren, was sie darüber wissen, wie sie sich beschweren können. Es stellte sich heraus, dass es kein Problem ist sich bei Betreuern zu beschweren, Beschwerdemöglichkeiten über die Gruppe hinaus jedoch völlig unbekannt waren. Zudem wünschten sich alle Kinder einen Kummerkasten, in welchen sie neben ihrer Beschwerde auch ihre Nöte und Ängste einwerfen können. Es wurde festgelegt, wann und wer den Kummerkasten öffnet und sich um die Anliegen kümmert. Ein offizieller Beschwerdebogen wurde entwickelt und ist als Vorlage in der Begrüßungsmappe enthalten, sowie die Info über die Ansprechpartner und Beschwerdewege. Diese Info hängt auch in den jeweiligen Gruppen aus.



…am Ziel

Nach den Veranstaltungen in den jeweiligen Gruppen, haben alle Kinder und Jugendlichen einen größeren Einblick in ihre Rechte und wie sie sich beschweren können. Durch die Abwechslung des Arbeitsmaterials kam wenig Langeweile auf, denn jedes Kind hat sich irgendwann angesprochen gefühlt. So konnte über einen längeren Zeitraum die Aufmerksamkeit und aktive Mitarbeit gefördert werden.

In den kleinen Gruppen war es möglich auf den Einzelnen einzugehen und ihn je nach Wissenstand, Entwicklung und Alter abholen zu können. Dadurch fühlten sich die Kinder ernst und wichtig genommen.

In den Elternabenden fand eine ähnliche Einheit wie bei den Kindern statt. Somit wurde gewährleistet, dass Eltern und Kinder den gleichen Wissenstand haben. Über die Reaktion der Eltern waren wir positiv

überrascht. Sie zeigten sich dem Thema gegenüber neugierig und aufgeschlossen. Keiner äußerte Bedenken, im Gegenteil, alle lobten das Projekt und arbeiteten interessiert mit. Bei den Veranstaltungen waren die Betreuer der Gruppen dabei und haben aktiv mitgewirkt.

Es war deutlich zu spüren, dass der anklagende, bedrohliche Aspekt beim Thema Beschwerde deutlich abgeschwächt werden konnte. Es rückten eher die positiven Aspekte in den Vordergrund und das Thema konnte als Möglichkeit für neue Ideen und Veränderung gesehen werden. So entwickelte sich die Idee bei den Kindern und Betreuern einer neuen Haltung: Wiedergutmachung anstatt Strafe. Der Testlauf dieser Option in den einzelnen Gruppen hat schon begonnen.



Fazit

Die gemeinsame Arbeit am Projekt Kinderrechte und Beschwerde war für alle Beteiligten letztendlich eine wichtige Wissenserweiterung. Neue Materialien wurden in den pädagogischen Alltag mit aufgenommen. Außerdem konnten neue Impulse gesetzt und Vorbehalte abgebaut werden. Durch Erfolgserlebnisse wurde die Haltung gut verinnerlicht. Da die Kinder mit entschieden übernahmen sie öfters die Verantwortung für ihre Entscheidungen und Handlungen.

Dies führte zu weniger Auseinandersetzungen mit den Betreuern. Ein Effekt, welcher von allen Seiten als sehr wertvoll erkannt wurde. Für die Jugendhilfe der Caritas Ost-Württemberg bedeutet dieses Thema im Rahmen des Projekts Partizipation neue Denkanstöße und Arbeitsansätze, sowie eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung der Qualität und der fachlichen Arbeit. Und es zeigt sich einmal wieder: was zusammen entwickelt wird – wird auch angewendet!



Christina Teger
Multiplikatorin für das Projekt „Partizipation als Chance unserer Pädagogik“